Der 11. Juli scheint kein guter Tag zu werden für die Mitglieder der Neonazikleinstpartei “Der III. Weg”. Bereits zwei Mal haben Gegendemonstrant*innen an diesem Tag dafür gesorgt, dass kein Wort ihrer rassistischen Hetze die Bevölkerung erreicht. In Schwandorf Dachelhofen, wo die knapp 20 Rechtsextremen mit ihrer Ostbayerntour an diesem Samstag starten, werden sie sogleich von 200 Bürger*innen mit Pfeifkonzerten und Sprechchören begrüßt. In Neunburg vorm Wald sind es immerhin 100 Nazigegner*innen, samt Blaskapelle. Die Reden der Rechten verhallen ungehört, kein einziger Flyer wird verteilt, niemand liest, was auf ihren Bannern steht. Ein erfolgreicher Tag sieht anders aus. 

Der Dritte Weg

Als das bayerische Innenministerium im Juli 2014 das Verbot des größten und aktivsten Neonazi-Verbandes “Freies Netz Süd” bekannt gibt, ist es eigentlich schon zu spät. Der Umzug ist längst vollzogen, das Freie Netz Süd existiert nur noch formell. Durch Razzien gewarnt, hatten die Neonazis reichlich Zeit Gelder, Mitglieder und Infrastruktur in ihrem neuesten Projekt zusammenzuführen: Die Partei “Der Dritte Weg”.

Diese Partei adaptiert ungeniert Symbolik aus der NS-Zeit und präsentiert sich selbst als Nachfolgeorganisation der NSDAP. Ihre Mitglieder sind militant, gewaltbereit und das rechtsextremste, das Bayern zu bieten hat.

Besonders in Ostbayern ist die Partei aktiv. Sie verteilt ihre menschenverachtenden Flugblätter in jenen Gemeinden, in denen Asylsuchende untergebracht werden sollen, veranstalten “Heldengedenken” und Trauermärsche. Auch und gerade in Cham kennt man* die Partei. Die Orte heißen Traitsching, Rimbach oder Bad Kötzting. Wo auch immer der Landkreis Asylbewerberunterkünfte plant, finden Bürger*innen die hasserfüllten Flyer voller Hetze auf Flüchtende in ihren Briefkästen. Eines ihrer aktiven Chamer Mitglieder wurde erst vor wenigen Monaten aufgrund eines Tattoos mit dem verbotenen SS-Wahlspruch des örtlichen Robert-Schuhmann-Gymnasiums verwiesen. Das Gymnasium hat daraus gelernt, ist heute eine “Schule gegen Rassismus” und versucht mit mindestens einem Aktionstag pro Jahr ihre Schüler*innen gegen die Anwerbeversuche aus dem rechten Milieu zu wappnen.

Der Dritte Weg ist gefährlich, gerade junge Menschen sind anfällig für ihre Parolen. Ein späterer Ausstieg ist schwerlich möglich. Neonazis wissen, wie man* Menschen an sich bindet.

Die Wende kommt mit Cham

Als die rechten Aktivisten in Cham ankommen um zum dritten Mal an diesem Tag dieselben Reden zu schwingen und dieselben Lieder abzuspielen, ist es ungewöhnlich ruhig.

Bereits zum zweiten Mal dieses Jahr versuchen die Neonazis vom Dritten Weg ihr Glück in der Kreisstadt. Erst Mitte April waren sie mit einem ähnlichen Programm am Chamer Marktplatz. Weder damals noch heute erwartet sie hier Widerstand. Lediglich fünf Antifaschist*innen, darunter der Chamer SPD-Vorsitzende Edi Hochmuth und der Schwandorfer Piratenchef Peter Lang, stehen an diesem Samstag mit einem “Kein Platz für Nazis”-Banner am Chamer Floßhafen und versuchen gegen die Lautsprecher des Dritten Weges anzuschreien und anzupfeifen. Vergeblich. Dass sie hier sind ist reiner Zufall. Auch sie wussten nichts von der Neonazikundgebung direkt vor der Frey Passage. Hochmuth ist sauer auf die Stadtverwaltung. Niemand wurde informiert.

Gleiches Spiel zwei Stunden später in Furth im Wald. Mit einer Kundgebung am dortigen Marktplatz beenden die Neonazis ihre Tour, abermals ohne Widerstand aus der Zivilbevölkerung. Die Further Stadtverwaltung hat es der Chamer gleich getan und den Auftritt totgeschwiegen.

Dritter Weg in Cham

Totschweigen ist falsch

Die Chamer Bürgermeisterin Karin Bucher wird von mir im sozialen Netzwerk Facebook darauf angesprochen und gefragt, wieso die Stadt Cham nicht wie andere Städte reagiert und die Kundgebungen vorher bekannt gibt. Bucher antwortet lapidar, dass sie den Rechten nicht noch eine größere Aufmerksamkeit schaffen will und argumentiert mit der kurzen Vorlaufzeit von zwei Tagen, die nicht ausreiche um vernünftigen Gegenprotest zu organisieren.

Dass dies falsch ist, zeigt die Empirie! In Schwandorf und Neunburg vorm Wald wurde weniger als 24 Stunden vorher bekannt, dass die Neonazis Kundgebungen abhalten wollen. Die Aktiven in den Städten haben sich den Nachmittag über ans Telefon gesetzt und binnen kürzester Zeit einen mehr als passablen Gegenprotest auf die Beine gestellt, der sich sehen lassen kann. Schwandorfer*innen und Neunburger*innen haben gezeigt, dass in ihren Städten Hass auf Flüchtende und Migrant*innen keine Chance hat. Sie haben sich weltoffen und tolerant präsentiert. Niemand konnte die Parolen der Rechten vernehmen.

In Cham hingegen steht der Pavillon des Dritten Weges direkt vor der Frey Passage, dem großen Kaufhaus in Cham. Wer es betreten oder verlassen will, muss notgedrungen an ihnen vorbei.

Der Hass findet Gehör

Vorra, Tröglitz, Freital – Ortsnamen, die sich ins kollektive Gedächtnis der Deutschen einbrennen werden wie einst die Namen Hoyerswerda, Mölln oder Rostock-Lichtenhagen. Die Stimmung ist aufgeheizt in diesen Tagen. Überall in der Bundesrepublik demonstrieren Menschen, angestachelt von Neonazis, gegen geplante Asylbewerberunterkünfte. Die Medien bezeichnen die Teilnehmer*innen der Aufmärsche gewalttätiger Rechter gerne euphemistisch als “Asylgegner*innen”. Dass dieser Begriff beschönigend ist, zeigt der jüngst veröffentlichte Verfassungsschutzbericht. Die Zahl fremdenfeindlicher Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen und erreichte mit 512 Gewalttaten im Jahr 2014 den dato höchsten Stand. Zudem hat sich die Zahl der Anschläge auf Asylbewerber*innenunterkünfte 2014 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht. Alleine im ersten Halbjahr 2015 konnte dieser Wert jedoch fast schon erneut erreicht werden. Man* kann also abermals von einer Verdopplung in diesem Jahr ausgehen.

Trotz dieser erschreckenden Kennzahlen können bekannte Nazis in Cham weiter Öl ins Feuer gießen. Die Redner des Dritten Weges an diesem Samstag waren keine Unbekannten. Unter ihnen fanden sich der verurteilte Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger, der wegen eines versuchten Sprengstoffanschlags auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums in München bereits eine Haftstrafe absitzen musste, Roy Asmuß, der die Seite des Freien Netz Süd betreute, oder auch der vorbestrafte Schläger Walter Strohmeier, der sich aktuell gerne mal als freier Journalist ausgibt um an Informationen über Geflüchtetenunterkünfte zu kommen.

Einem Chamer Wirt drohten die Neonazis des Dritten Weges vor der Kundgebung gar, sie kämen wieder und er müsse sich nicht wundern, wenn seine Imbissbude demnächst mal in Flammen stehe, nachdem dieser Zivilcourage zeigte und den Rechten die Bedienung verweigerte.

Ohne Gegenprotest können die Neonazis in Cham und Furth im Wald am 11. Juli ihre menschenfeindlichen Thesen verbreiten. Mehrere dutzend Menschen passieren die Frey Passage während der Kundgebung und werden so unweigerlich von den Rechten angesprochen und mit Flugblättern versorgt. Einige wenige bleiben stehen. Vor dem Frey Backstage bildet sich eine kleine Menschentraube, die den Nazis zuhört. Ihr Hass findet in Cham Gehör. Das hätte es in Schwandorf oder Neunburg nicht geben können.

Frau Bucher, tun Sie was dagegen!

Auch die Regensburger Stadträtin Tina Lorenz hat sich mittlerweile in die Facebook-Diskussion eingeschaltet und berichtet von den positiven Erfahrungen, die die Stadt Regensburg damit gemacht habe, die Kundgebungen sofort nach der Anmeldung bekannt zu geben und Gegenprotest zu organisieren. Unter dem vorherigen Oberbürgermeister Hans Schaidinger verhielt sich Regensburg wie Cham oder Furth im Wald. Doch dort hat mittlerweile ein Umdenken stattgefunden. Die Erfahrung zeigt: Wo Nazis ungehindert aufmarschieren und ihre Hetze verbreiten können, wo es keinen Gegenprotest, keinen Aufstand der Anständigen, der Zivilbevölkerung gibt, dort machen sie es sich bequem und kommen wieder. Nach zwei so erfolgreichen Kundgebungen in Cham und einer mindestens genauso erfolgreichen in Furth im Wald werden die Rechten vom Dritten Weg sicher wieder kommen.

Frau Bucher und Herr Bauer, tun Sie was dagegen! Geben Sie Ihren Mitbürger*innen die Möglichkeit, friedlich gegen die Neonazis zu demonstrieren und der Welt zu zeigen, dass Ausländerfeindlichkeit im Landkreis Cham nichts zu suchen hat. Wachen Sie endlich auf und erkennen Sie, dass es die Rechten nur stärkt, wenn man* die Augen vor Ihnen verschließt. Rechtsextremismus ist eine reale Gefahr, vor allem für die Menschen mit Migrationshintergrund, mit anderer Religion oder anderer politischer Überzeugung! Helfen Sie mit, dass im Landkreis Cham kein von Angst und Hass geprägtes Klima entsteht! Der Samstag war eine Schande für den gesamten Landkreis Cham.

 

Wer sich noch in die Facebook-Diskussion einschalten möchte, darf dies gerne tun. Der Post ist mittlerweile öffentlich kommentierbar:

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Auch Endstation Rechts hat gerade eben einen lesenswerten Artikel zum Samstag veröffentlicht:

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PS: Ich bin mir der Problematik, die mit dem Extremismusbegriff einhergeht, im Klaren. Der Einfachheit halber habe ich ihn dennoch verwendet. Man* möge mir dies verzeihen. Sollte ich wo nicht gegendert haben, darf man* mich aber gerne darauf hinweisen. Der Post war ursprünglich als Leserbrief gedacht und wurde deshalb im generischen Maskulinum verfasst.